Aufbruch unter der neigenden Sonne
Stille, diese beruhigende Stille, sie lag noch immer in den Hallen seiner Gemeinschaft. Seit seiner Rückkehr aus Gondor war sie ihm eine Vertraute geworden, die stets da war, wenn er kam. Sie gab ihm die Möglichkeit, die Gedanken für einige Momente liegen zu lassen, die Sorgen an die geplante Reise zur Seite zu legen. Fast lautlos lehnte er die Tür in den Rahmen und betrat die Halle. Die Anordnung der Stühle, der Bänke und des Esstisches waren wie er sie verlassen hatte. Rasch sah er zum Kartentisch hinüber, auf dem nun mehr lag, als er sich erinnern konnte dort zurückgelassen zu haben. Zwei Schriften erkannte er und zwei Namen las er. Ein kurzes anheben der Mundwinkel quittierte seine Freude, dass die Nachricht Beachtung gefunden hatte. Mehr als erhofft.
Den Umhang behielt er an, als er das Kaminzimmer betrat. Bis zum Einbruch des Abends, wenn die Sonne beginnt sich rot zu färben, wollte er warten. Er wandte sich dem Stuhl in der dunklen Ecke des Raumes zu, lehnte sein Schwert an das Stuhlbein und lies sich auf die Sitzfläche fallen. Auf die Stuhllehne stützte er seinen linken Ellenbogen ab und bettete seine Stirn in die Handfläche. Auf Zwei wollte er warten. Ein Zwerg und eine Elbin. Den einen kannte er, seit er sich der Gemeinschaft angeschlossen hatte. Als Handwerker hatte er ihn in Erinnerung, nicht als Soldat. Doch wer, wie Kelim, in der Schmiedekunst so gebildet ist, der wird sicherlich mit diesen Waffen auch umgehen können. Dann noch die Elbe, über die er nichts wusste bis auf ihren Namen. Er hob den Kopf an und sah auf das Bild, das ihm gegenüber hing. Larelie. Nur wenige Worte hatten sie beide je gewechselt. Nur ein Treffen fand er in seiner Erinnerung wieder.
Ein langgezogener Ruf zog sich durch die Hallen nach hinten in das Kaminzimmer. Die Stimme war weiblich und der Ruf doch recht kindlich. Wer kam? Nach kurzer Zeit der Überlegung entschied er sich sitzen zu bleiben und abzuwarten, selbst als der langgezogene Ruf ein zweites Mal durch die Hallen klang. Nur kurze Zeit später betrat Larelie das Zimmer in dem er saß. Nur oberflächig sah sie sich um und schritt ohne Beachtung an ihm vorbei in die oberen Räume. Ihre Gedanken waren wohl stärker als ihre Augen. Als sie die Treppen wieder hinunterstieg schien sie ihn zu entdecken und grüßte ihn freundlich.
Nun war es noch Kelim, der fehlte. Doch sie brauchten nicht viele Worte zu wechseln, bis die Stimme des Zwerges die Hallen erfüllte. Er hatte sich die Zeit über nicht verändert und er brachte Kunde mit sich. Eldatirmo sei in der Nähe und will sich so schnell wie möglich der kleinen Reisegruppe anschließen. Auch Turaleths Namen erwähnte Kelim, doch war ihm nicht bekannt, ob sie noch an diesem Abend schaffen würde. Nicht nur diese Nachricht brachte er mit. Er rief nun noch einen Namen. Garlond. Der Soldat betrat mit schwerer Rüstung den Raum. Hervorragend für den Kampf, behindernd auf einer langen Reise. Vielleicht war Garlond eilig aufgebrochen oder rechnete mit schweren Kämpfen.
Die Fragen nach dem Ziel der Reise und der Grund dafür. Ihm war bewusst, dass sie ihn fragen würden. Doch stand es ihm zu, diese auch zu beantworten? Der Weg führt durch feindliches Land und in tiefe Abgründe und mit etwas Glück auch wieder heraus. So viel wie nötig antwortete er. Moria, die größte Feste der Zwerge, nun versunken in der Dunkelheit, war das größte Hindernis auf ihrem Pfad und Kelim war von Nöten, den Weg durch das Schwarz zu finden. Die Neuigkeit schien dem Zwerg nicht zu erfreuen doch er willigte ein. Auch Garlond und der Elbe schienen diese Hallen, die die Zwerge einst schufen, nicht unbekannt. Garlond hatte es, soweit seine Informationen der Richtigkeit entsprachen, bis in das erste Lager geschafft: Delfblick. Die Elbe hatte sie sogar schon durchschritten. Er ersparte sich die Frage, ob das noch vor diesem Zeitalter war oder erst in den letzten Jahren.
Die Sonne begann den Horizont in ein rotes Licht zu färben. Es war Zeit aufzubrechen. Er schickte die drei nach Schlucht vor um Egin und Anrangar zu treffen. Turaleth, die es nicht geschafft hatte, wollte er eine Nachricht hinterlassen. Er drehte das Pergament, auf dem er die erste Nachricht notiert hatte, um und schrieb:
Dort wo das Land einsam wird und die Bäume sich aus den Augen verlieren, wo das Grün zum Sand wird und wo man sich erzählt in dem Land ist von einem Punkt das Nebelgebirge zu sehen, in dieses Land folge uns.
Die Schreibfeder legte er unter diese Zeilen, den Federkiel nach Osten gerichtet.
In Schlucht traf er wieder auf die Drei. Die Elbe kam mit einer kurzen Nachricht zu ihm.
Einen guten Morgen!
Ich war heute früh erwacht, da ich Unruhe bei den Pferden wahrzunehmen wähnte. An einem Pfosten bei meinem schwarzen Ross fand ich folgende Notiz:
Egin, der sich der aus Esgaroth nennt!
In meiner Hand befindet sich Wissen, welches ich für Euch und Eure kleine Gruppe von großem Interesse dünke. Meine eigene Sicherheit erfordert ein verdecktes Auftreten, warum, werde ich Euch nicht erklären müssen.
Heute, kurz nach Sonnenhöchststand in Schragen, auf der Terrasse auf der die Händler ihre Stände aufzuschlagen pflegen. Euch werde Ich erkennen. Ich selbst werde einen Buchhändler nach einen Werk über die Nordhöhen fragen, sobald ich sicher bin, dass Ihr alleine gekommen.
Beeilt Euch, lange werde ich nicht Warten.
Für heute unterschreibe ich mit
Herrfried
Ich bin augenblicklich aufgebrochen, wartet auf mich.
Egin
Er sah sich nach Anrangar um, doch fand ihn nicht. Dafür einen Mann, der mit seinem Weinschlauch die Leute vor dem Gasthaus unterhielt, doch auf seine Bitte sich für einige Augenblicke zurückzog und für Anrangar, der über die Terrasse auf sie zukam, Platz machte. Die Nachricht von Egin löste Verwirrung aus. Die einen wollten nach Schragen, andere auf ihn warten, wie er befahl. Noch bevor eine Entscheidung getroffen wurde kam Egin zurück. Keine Neuigkeiten hatte er mitgebracht, niemanden hatte er angetroffen. Nur die Sorge, dass jemand über sie etwas wusste, die war von nun an da. Und eine Elbin, die er noch nie erblickt hatte.
Die Sonne war nun vollends verschwunden und der Sternenhimmel breitete sich über ihnen aus. Für diese eine Nacht wollten sie noch in Schlucht bleiben.